Martin Luther - Lehrer der christlichen Religion

Buch des Monats Oktober 2015

Reinhard Schwarz zeigt, dass Luther aus der heiligen Schrift ein Grundverständnis des Christentums gewonnen hat, das alle sakralen Gesetze aus der Heilsvermittlung ausschließt.

Luthers reformatorische Theologie gewinnt die häufig vermisste Geschlossenheit, wenn sie in der Perspektive der christlichen Religion betrachtet wird. Die christliche Religion wird in ihrer öffentlichen Gestalt begriffen, in der sie den Rahmen bildet für individuell gelebtes Christentum.
 
Der Zuspruch von Gottes Sündenvergebung durch das Evangelium setzt nicht mehr das Erfüllen von kirchlich festgelegten Bußpflichten voraus. In den Sakramenten von Taufe und Abendmahl ist die reine Zusage von Gottes Heil verknüpft mit einer Zeichenhandlung, die keinen kultgesetzlichen Charakter hat. Mit der geistlichen Vollmacht des allgemeinen Priestertums verabschiedet sich das reformatorische Christentum von einer heilsgesetzlich verfassten Hierarchie. Als der im Alten Testament verheißene Messias befreit Jesus Christus durch den Zuspruch des Evangeliums jederzeit jeden Menschen aus dem Unheil seiner Gottesentfremdung, wenn der Mensch im Glauben sich selbst dem Evangelium anvertraut. Für den Glaubenden ist Jesus Christus wie in der Gegenwart so auch eines Tages im Jüngsten Gericht der Erlöser, nicht ein streng urteilender Richter. Ebenso wenig spricht Jesus in der Bergpredigt als Gesetzgeber, vielmehr erinnert er daran, wie radikal die Gebote des Dekalogs gemeint sind. Sie sind nicht nur Verbote, sie sind darüber hinaus positiv fordernde Gebote Gottes in vollem Einklang mit dem universal geltenden Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Welche Verantwortung alle Menschen vor Gott, ihrem Schöpfer, haben, wird durch dieses radikale Verständnis des Dekalogs bewusst gemacht.
 
Reinhard Schwarz: Martin Luther – Lehrer der christlichen Religion.
Mohr Siebeck 2015. XIII, 544 Seiten.
ISBN 978-3-16-151880-5