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Einsichten in reformierte Kirchen, ihre Bilder, ihre Kunst
Zur Szenografie des reformierten Protestantismus - hg. von Sabine Dreßler, Andreas Mertin
[Aus dem Vorwort]
In diesem Buch geht es um Einsehen, um Begreifen, aber auch um Gesten und um aktives sinnliches Handeln, um die Gestaltwerdung von Glauben. Es geht um Bilder, um historische und moderne Kunstwerke, um reale und imaginäre Bilder auf der Leinwand, auf dem Papier oder im Kopf. Und es geht um Räume, um einmal geschaffene und wieder veränderte, neu entstandene und entstehende Räume, um steinerne Gebäude und um Gedankengebäude.
Die hier vorgestellten Kunstwerke wie Räume verdanken ihre Eigenart einer besonderen evangelisch-reformierten „Einsicht". Sie spiegeln wider, was das das 2. Gebot so formuliert: „Du sollst Dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht." (2. Mose 20, 3f.)
Das, was gemeinhin das „Bilderverbot" genannt wird, meint allerdings weder die vollständige Abwesenheit oder gar die generelle Ablehnung von Bildern, noch kommt das konsequente Befolgen dieses Gebotes im Versammlungsraum der Kirche einem Nicht-Verhältnis zur Kunst und damit auch zur Ästhetik gleich. Ganz im Gegenteil. Und deshalb geht es auch um die Frage, wie wir mit den Bildern und Räumen umgehen und dabei vor allem darum, was das was das für den Protestantismus evangelisch-reformierter Provenienz bedeutet.
Dieses Buch zeigt auf. wie evangelisch-reformiertes Denken einen ganz eigenen produktiven Umgang mit Bild und Raum ausgebildet und geprägt hat und wie es umgekehrt von diesem besonderen Raum- und Bildverständnis bis heute bestimmt wird. Wie sich solch ein reformiertes Verständnis und der Blick auf Gott und den Menschen, auf den Glauben und die welt "in Szene setzt", das hat weitreichende Konsequenzen für unser Begreifen von Kunst und des Kirchbaus.
Dieses Buch bietet erstmalig umfassend „Einsichten" in das, was sich hinter nur vermeintlich nüchterner Strenge, Kargheit oder gar Leere verbirgt, es zeigt mit anderen Worten, was die Schlichtheit und Konzentriertheit reformierter Räume notwendig und erkenntnis-produktiv macht. So lässt sich entdecken, worin die Ästhetik eines Kunstwerks oder einer Kirche begründet ist: welche „Frei-Räume" im Befolgen des Bilderverbotes als eines Kult-Bild-Verbotes entstehen können und welcher „Frei-Geist" einem aus solcher Perspektive und Prägung entstandenen Kunstwerk innewohnt.
ln allem Bedenken der Beziehung von Raum und Bild geht es letztlich um den Raum, den Gott für die Menschen schafft. Und es geht darum, wie Menschen diesen Raum wahrnehmen und in der Folge eigene Räume gestalten. Im Hinblick auf den Kirchenraum heißt das: „Der Raum der Kirche ist der Raum, wo Gottes Wort laut werden und damit der Raum der von ihm gewährten Freiheit entstehen kann " (Matthais Zeindler)
Die folgenden Gedanken zur Kunst und Kunstgeschichte, zu Bild und Raum und Kirchraum sowie die Darstellungen reformierter Kirchen in Deutschland lenken den Blick auf das, was nicht auf den ersten Blick „augenfällig" und offenkundig ist und was doch zur bewussten Gestik reformierten Glaubens gehört. Der „leere Raum", der kein sakraler Ort ist, hat nicht nur viel zu erzählen, sondern er ermöglicht Begegnung auf vielerlei Weise und eröffnet dadurch völlig neuartige Erfahrungsräume. Nicht umsonst haben nahezu alle Kulturorte der Welt die Inszenierung der weißen Räume der Reformierten für ihre eigenen Räume übernommen.
Einsichten: Zur Szenografie des reformierten Protestantismus.
Dreßler, Sabine & Mertin, Andreas (Hg.) 2017.
Solingen: foedus-Verlag 2017
176 S.; gebunden.
ISBN 978-3-938180-56-3
22,50 Euro
Andreas Mertin / https://www.theomag.de/108/am575.htm