'S´iz a lejbn du farflantst! Es ist ein Leben hier gepflanzt!'

Medientipp: 'Schpilt a Frejlachs'

© Naschuwa

Auf ihrer CD singt und spielt die Musikgruppe Naschuwa hebräische, jiddische Lieder und Klezmer.

Der Titel der CD „Schpilt a Frejlachs“ bezieht sich auf ein fröhliches, ausgelassenes Musikstück, um die Gäste zu Beginn einer Feier in Stimmung zu bringen. Zum ersten Mal ist mir das Genre intensiver begegnet, als ich im vergangenen Jahr 2020 aus Anlass der 75. Wiederkehr der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus bei einer Performance des Saarbrücker Klarinettisten und Klezmerspezialisten Helmut Eisel unter dem Titel „BeFrejlach“ mitwirkte: Eisel, der „deutsche Giora Feidman“, der auch viele workshops in Israel gestaltet, spielte ausgelassene, fröhliche Musik zum Andenken an das Kriegsende am 8. Mai 1945 und die Befreiung vom Faschismus, teilweise auch im musikalischen Zwiegespräch mit Kantor Ulrich Seibert an der Beckerath-Orgel der Ludwigskirche: Der jüdische Kantor Benjamin Chait in der Synagoge und ich als Kirchenrat in der Ludwigskirche sprachen dabei ein gemeinsames Gebet, das wegen der Coronabedingungen hinterher zusammengeschnitten wurde.

Von daher habe ich bei der Musikgruppe Naschuwa, die seit 32 Jahren jüdische Musik spielt, von den Melodien und Kompositionen des Klezmers viel wiederkennen können und bin von diesem Hintergrund her auf eine musikalische Entdeckungsreise gegangen. Insgesamt bieten die 16 Stücke auf der CD aber nicht nur „Frejlachs“, sondern bilden das gesamte Spektrum jüdischer Musik ab. Tiefe, melancholische Stimmungen wechseln sich in den Liedern und Instrumentalstücken ab mit unbändiger Freude, so daß das Zuhören nie langweilig wird.

Dass sich die vier nichtjüdischen Musiker Thore Benz (Bass), Tom Damm (Gitarre und Darabouka, eine arabische Trommel), Matthias Helms (Geige und Gesang) und Rainer Ortner (Akkordeon) tief in die jüdische Musik, inhaltliche Kontexte des Klezmers, hebräische und zeitgenössische israelische Melodien kongenial eindenken können, davon zeugt die CD, die ich als rundum gelungen und erwerbenswert bezeichnen möchte. Dazu gehören nicht nur die konzertanten Ansprüchen vollstens genügende musikalische Ausführung, sondern auch die geschmackvolle, passende Gestaltung des Layouts des Covers und vor allem die einleitenden, die Hintergründe der Lieder und Musikstücke erläuternden und interpretierenden fachkundigen Texte, die unbedingt gelesen werden sollten.

Das Repertoire reicht vom in Theolog*innenkreisen sehr bekannten „Hine ma tov“ (Vertonung Psalm 133,1) über den Facettenreichtum jüdischer Klezmermusik, die in Russland oder Amerika komponiert wurde, bis hin zu Kompositionen von 1932 für das Theaterstück „The Song of the Ghetto“, das im Jiddischen Theater in New York uraufgeführt wurde. Beim Stück „It had to be you“ hört man die Inspiration aus dem amerikanischen Jazz genauso heraus wie bei „A Nacht in Gan Ejden“ die chassidischen Einflüsse. Das bekannteste Lied „Dos Kebl“ darf nicht fehlen, hier wird die Erfahrung der Shoah in das  Bild vom Kalb, das zur Schlachtbank geführt wird, gekleidet. Mit „El ha Derech“ wurden ein Lied zeitgenössischer israelischer Songwriterinnen ebenso aufgenommen wie eine aus bulgarische Tradition stammende Melodie und ein arabisches Lied von Fairuz, das die arabische und israelische Tradition miteinander versöhnen möchte.

Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau schreib in einem Brief an Thomas Damm über die Arbeit von Naschuwa: „Ihr besonderer Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog, Ihre Appelle gegen Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit verdienen Anerkennung und Hochachtung.“ Im Kontakt mit dieser zutiefst menschlichen, grenzüberschreitenden Musik und Kultur führt sich jede Form von Rechtsextremismus selbst ad absurdum.

Damm und Helms lernten als Theologiestudenten diese Art der Musik bei einem einjährigen Studienaufenthalt in Israel kennen. Matthias Helms, der lange Pfarrer im pfälzischen Rodalben und dann auch Kirchenmusikobmann der pfälzischen Landeskirche war, ist heute Seelsorger in der Frankfurter Stauffenberg-Berufsschule und erhielt für sein dort initiiertes Theaterprojekt den Preis der Stadt Frankfurt. Dass Naschuwa auf meine Vermittlung hin auch vor vier Jahren in der Saarbrücker Synagoge auftrat und die Herzen der Zuhörenden im Sturm eroberte, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Diese vierte CD der Musikgruppe ermuntert dazu, Naschuwa wieder einmal einzuladen, vielleicht ja auch einmal in eine Gemeinde derer,die dies hier gerne lesen und interessiert, und vor allem auch diese CD käuflich zu erwerben, um die wichtige Botschafterfunktion dieser Musik weiterhin zu fördern.

„Schpilt a Frejlachs“ (Spielt ein fröhliches Lied)
bestellbar über info@naschuwa.de oder www.naschuwa.de


Frank-Matthias Hofmann