Ellich & Tüllich - Nach der Presidential Debatte
Postamerikanischer geht‘s nicht mehr. / Versteh ich nicht. Was willst du damit sagen? Die haben im Wahlkampf doch immer eine oder zwei von diesen Schaukämpfen. Im Westen nichts Neues. Und wieso postamerikanisch? / So kommt mir das ganze Format vor. Performanz ist alles, Kompetenz nichts. Wie jemand auftritt, zählt, nicht, was er sagt. Eben Schaukämpfe. Selbstdarstellung statt Regierungsprogramm. / Und wieso post? / So nenne ich dies, weil ein Präsidentschaftswahlkampf vor Einführung des Telegraph um 1860 vor allem aus Inhalt bestand. Ein Kandidat sprach bis zu drei Stunden über inhaltliche Vorhaben im Fall seiner Wahl, frei aber druckreif, syntaktisch statt parataktisch, und sein Publikum konnte stehend und lesegewohnt ebenso lang zuhören. Eben das war der American Dream: Alle sollten frei sein, und wer frei war, verdiente sich seine demokratischen Rechte durch Bildung. So beurteilte er vor allem die Kompetenz des Redners. Handfeste Aussagen statt verfliegende Gefälligkeiten. Konkretionen statt Illusionen. / Wow, das ist aber echt anders geworden! Also Ellich, heute dominieren das Gebrüll des Löwen aus Hollywood und das Läuten der Glocke in der New York Stock Exchange. Das mag ein Wechsel sein … / Eben, aber leider vom Guten zum Schlechten. Heute führen sie einander vor, und die Presse erneuert umgehend ihre Beliebtheitsliste. Komödie statt Politik, Fallhöhe statt Nachhaltigkeit, Spiele statt Brot. / Aber jetzt mal, Ellich: Sind wir in Europa nicht auch schon ganz schön postamerikanisch? Ich meine so, wie deutsche Politiker einander vor der Kamera öffentlich vorführen, neuerdings sogar innerhalb der gemeinsamen Regierung, bald auch in der eigenen Partei. So wird der Bürger zum Voyeur. / Tüllich. Kein Wunder, wenn Otto Normalverbraucher das Vertrauen in die Politik verliert. Er braucht Wurst auf dem Brot, nicht Schmiere auf der Bühne. / Ellich, willst du nicht kandidieren bei der nächsten Wahl? / Du meinst, als Hans Wurst? / Tüllich.