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EKKW: Rabbinerin und Bischöfin legten gemeinsam biblischen Text aus
Im Rahmen der «Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit 2024 - 5784/5785» gab es am 5. März eine Doppelschriftauslegung von Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg (Hameln) und der Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Dr. Beate Hofmann, im Saal der Jüdischen Gemeinde Kassel. Eingeladen hatte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Kassel, gekommen waren mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer.
Zentrale Fragestellungen dabei waren: Wie ist dieser Text heute zu verstehen? Hat er noch Relevanz für die jüdische und christliche Glaubenspraxis? Moderiert wurde das Gespräch von der katholischen Vorsitzenden der Kasseler Gesellschaft, Beatrix Ahr.
Der historische Kontext zur Entstehung des Textes war für Rabbinerin Offenberg essenziell für dessen Verständnis. Der Text entstand zum Ende des babylonischen Exils der Israeliten um 600 vor Christus. Er spricht dem Volk Israels Trost zu und bekräftigt: Der Bund zwischen Gott und seinem Volk besteht weiterhin. In der jüdischen Liturgie hat der Text weiterhin seinen festen Platz am Fastentag Tischa beAv, an dem der Zerstörung des Tempels gedacht wird. Die starken Bilder des Textes – wie z.B. dass Gott dem Lernenden eine Zunge gegeben habe, die Müden mit einem Wort zu stärken – ließen unterschiedliche Interpretationen zu: die Zunge eines Lernenden, aber auch eines Lehrenden. Der hebräische Ausdruck für «Zunge» bedeute auch «Sprache», in der man sich verständlich machen kann.
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Offenberg betonte, dass der Text von seiner Aktualität nichts verloren habe; er zeige den Weg eines leidenden Menschen, der eine Wahrheit vertrete, die andere nicht hören wollen, aber auch den des Volkes Israel als Gesamtheit. Und er betont: Wir erleiden das Exil, aber stehen doch fest im Glauben und letztlich wird Gott uns Recht verschaffen.
Hofmann: Dieser Text ist wie ein Vertrauenspsalm
In ihrer Auslegung fragte Bischöfin Hofmann: «Wo führt mich der Text hin?» Da lege ein Mensch Zeugnis ab, ein Mensch, der ein festes Gottvertrauen habe und der sich seine Würde nicht nehmen lasse. Hofmann bekannte, dass sie bei der Vorbereitung der Auslegung unweigerlich an Menschen wie Alexej Nawalny oder die iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi denken musste. Beide seien Menschen, die Haltung zeigten und dadurch anderen Menschen Hoffnung machten.
Der Text selbst biete viel Assoziationsmöglichkeiten für Christinnen und Christen, so die Bischöfin. Die Augenfälligste sei im Vers 6: «Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften.» Da kämen einen unmittelbar die Antithesen Jesu in der Bergpredigt in den Sinn. Bereits die frühen Christinnen und Christen hätten diesen Text als Erklärung für die Leiden Jesu, aber auch für die eigene Verfolgung gedeutet.
Woher kommt die Kraft des Menschen zu vertrauen? Ein weiterer «Aha»-Moment bei der Lektüre sei für Hofmann gewesen, dass der Text ganz offensichtlich die Grundlage für das bekannte Kirchenlied «Er weckt mich alle Morgen» von Jochen Klepper gewesen sei; Klepper, mit einer jüdischen Frau verheiratet und von den Nazis verfolgt, habe das Lied 1938 geschrieben. 1942 habe das Paar vor der anstehenden Deportation der Ehefrau Suizid begangen.
Quelle: EKWW