Zionismus und Palästinismus

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

Barriere gegen Tunnel entlang der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen 2019 © IDF Spokesperson's Unit / CC BY-SA 3.0

Alle Augen sind auf Gaza gerichtet. Politiker streiten um die richtige Haltung zum Staat Israel. Demonstranten gehen auf die Straße für Israel, für Palästina. Auch die Kirchen ringen um die richtige Position.

Mit der Gründung des Staates Israel wurde im Jahr 1948 gegen den Widerspruch aller arabischen Länder ein UNO-Beschluss durchgesetzt, mit dem die alte jüdische Sehnsucht nach der biblischen Heimat erfüllt wurde. An hohen religiösen Feiertagen hatte der Spruch „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ diese Hoffnung seit Jahrhunderten wachgehalten, doch erst im 19. Jahrhundert nahm sie auch praktische Formen an. Mit dem Zionismus entstand eine Ideologie, die konkret die Wiedergeburt eines jüdischen Staatswesens im Heiligen Land anstrebte.

Tendenziell ist im Zionismus immer die Bestrebung enthalten, das ganze Gebiet zu besetzen, das selbst in biblischen Zeiten niemals ganz von Israel beherrscht wurde. Radikale Zionisten geben sich nicht damit zufrieden, auf Landesteile zu verzichten, die aus ihrer Sicht „zum gelobten Land“ gehören. Diesem Extremismus schließen sich auch die sogenannten “ christlichen Zionisten“ an. Wenn diese extremistische Ideologie die Regierungspolitik des Staates Israel so bestimmt, wie es heute der Fall ist, bleibt eine friedliche Konfliktlösung ausgeschlossen. 

Demgegenüber gibt es die Position der arabischen Staaten, die den Staat Israel im Keim ersticken wollten. Mit dem UNO-Beschluss von 1947 wurde neben dem jüdischen Staat ein arabisches Palästina ins Auge gefasst, das allerdings nie zustande kam. Seither garantiert die UNO die Identität einer palästinensischen Bevölkerung und deren Rückkehrrecht, ohne festzulegen, wie sich diese Rückkehr ohne Beseitigung des Staates Israel umsetzen lässt. Als Gegenüber zum radikalen Zionismus hat sich die Ideologie des Palästinismus entwickelt. Sie beinhaltet die Forderung nach einem Staat Palästina „from the river to the sea“ und die Vertreibung der Juden aus der Region. Indem sich die islamischen Länder weltweit diese Forderung zu eigen gemacht haben, ist der „Islamo-Palästinismus“1 zu der Ideologie geworden, die zur Vertreibung des Judentums aus sämtlichen arabischen und islamischen Ländern geführt hat. Je mehr diese extremistische Ideologie Einfluss gewinnt, desto aussichtsloser wird das Bestreben nach einer friedlichen Lösung des jüdisch-arabischen Konflikts.

Kirchen und auch einzelne Christen stehen in der Gefahr, in die eine oder andere ideologische Falle zu tappen. Es gilt die gegnerischen Ideologien als solche zu entlarven und mit Fakten dem Fanatismus und der Propaganda beider Seiten entschieden zu widersprechen. Es kommt schließlich darauf an, wie, ungeachtet unvernünftiger Ideologien, alle Bewohnerinnen und Bewohner des palästinensischen Raums in Frieden, Freiheit und Wohlstand miteinander leben können.


1 Taguieff, Pierre-André, L’invention de l’islamo-palestinisme, Paris, 2025


Paul Oppenheim