Gebet statt Rigorismus

Mittwochskolumne von Dennis Schönberger


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What would Jesus do - die Frage ist nicht nur kontraproduktiv. Sie unterschlägt den qualitativen Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf. Warum Klage und Fürbitte für Friedensethik unverzichtbar sind.

Wer in Sachen Friedensethik von Christen und Kirchen fordert, wie Jesus zu handeln, tangiert bewusst oder unbewusst den qualitativen Unterschied nicht nur zwischen Schöpfer und Geschöpf, sondern auch zwischen Versöhnung und Vollendung.

Das Kreuz, das Jesus Christus trägt, ist nicht das Kreuz der Christen. Und: Jesus Christus ist der erste Auferstandene, er ist den Christen darin voraus. Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich. Christen werden wahre Menschen in Entsprechung zu ihm (Nachfolge), sie werden aber nicht gottähnlich.

Darum ist friedensethischer Rigorismus im Sinne des „What Would Jesus do“ (WWJD) kontraproduktiv, denn dieser postuliert im Hier und Jetzt, was dem Kommen Gottes vorbehalten ist: die Verheißung des vernunftverblüffenden Friedens. Diese Verheißung schmälert mitnichten unser Friedensengagement heute und im Kontext des Krieges in der Ukraine, im Gegenteil: Sie kann den in Kirche und Gemeinde Verantwortlichen zu neuer friedensethischer Sachlichkeit und Hoffnung verhelfen.

In unseren Friedensgebeten wird gerade die Dimension der Klage gegenüber Gott und der Fürbitte für die Leidenden ebenso wie für die politisch Verantwortlichen unverzichtbar sein und immer wieder werden. Klage und Fürbitte können sich verbinden zum notgesättigten Anruf, Gott möge Frevler und Tyrannen alsbald vernichten. Die alttestamentlichen Beter (und auch die Propheten) wissen um diese Zumutung für den Glauben. Frieden ist ohne Gerechtigkeit, die das Recht auf Widerstand einschließt, nicht zu haben.

Wissen wir noch darum, dass wir nicht Jesus sind?


Dennis Schönberger