Olaf Latzels homophobe Bibelauslegungen - Warum bibeltreuer Glaube nicht alles wortwörtlich nimmt

Bibeltheologischer Einspruch von Dennis Schönberger


Es werde Licht: Glaube sucht das Verstehen © Pixabay

Die Aussagen und Ereignisse vor, während und nach dem Gerichtsurteil im Fall des Bremer Pfarrers Olaf Latzel vom 20.05.2022 machen mich gleichermaßen traurig wie wütend. Wieso? Weil nicht der Entängstigung, sondern der Hysterie das Wort geredet wurde. Christen glauben jedoch: In der Liebe ist keine Furcht (1Joh 4,18).

Der religiöse Extremismus, der hier vorliegt, und der einhergeht mit einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, offenbart, dass ein berufener Diener der Gemeinde Christi theologisch ziemlich schief gewickelt ist. Die Repristination von sogenannten „Schöpfungsordnungen“ steht nicht nur der alttestamentlichen Gottesrede entgegen: Was haben metaphysische Ordnungskonzepte mit der alttestamentlich-jüdischen Idee einer Erschaffung der Welt aus dem Nichts zu tun? In Olaf Latzels homophober Bibelauslegung triumphiert leider auch der tötende Buchstabe über den lebendig machenden Geist (2Kor 3,16). Ein bibeltheologischer Einspruch tut darum Not.

Ich beschränke mich auf ein Beispiel: Eine Stelle wie Lev 18,22 „Und mit einem Mann sollst du nicht schlafen, wie man mit einer Frau schläft. Das ist ein Greuel.“ beim Wort zu nehmen, heißt sie misszuverstehen. Wer bibeltreu predigen möchte, muss wissen, dass der Glaube das  Verstehen sucht. Von einem studierten Theologen und ordinierten Pastor muss eine Gemeinde das erwarten können. Im dritten Buch Mose steht im 18. Kapitel den priester(schrift-)lichen Kreisen hinter dem Heiligkeitsgesetz die Sorge vor Augen, was aus Gottes Verheißungen wird, wenn in Israel Kindersegen angesichts verbotener männlicher Sexualpraktiken ausbleibt. In den Wüstenerfahrungen mehrerer Generationen, derer hier gedacht wird, geht es um Sein oder Nichtsein. Um homosexuelle Liebesbeziehungen im heutigen Sinne geht es nicht!

Wer dies nicht weiß oder nicht wissen will, und also der Gemeinde die bundesgeschichtlichen Umstände solcher Bibelstellen verschweigt, redet geistlich grausig ignorant und muss sich die Rückfrage gefallen lassen, wie er den lebendigen Gott verantwortlich zu verkünden gedenkt – zwar gilt im Anschluss an Karl Barth, dass wir von Gott reden sollen (Notwendigkeit), aber es nicht können (Unmöglichkeit), doch nur im Wissen beider Sätze geben wir ihm Ehre! Zudem weiß ich aus Erfahrung, wie verletzend es ist, wenn Menschen, die einer Minderheit angehören, nicht nur sozial, sondern auch kirchlich ausgegrenzt werden. Mein Einspruch will darum bitte als Ansporn zu widerständiger Besonnenheit gelesen werden.