''Ein deutliches Zeugnis in der globalen Unsicherheit''

Erklärung des Rates der GEKE zur Barmer Theologischen Erklärung

Der Rat der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) würdigt die bleibende Bedeutung der vor 75 Jahren in Deutschland verfassten Barmer Theologischen Erklärung für die Kirchen in Europa.

Die Barmer Theologische Erklärung, mit der die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche 1934 eine Abgrenzung gegenüber der Ideologie des Nationalsozialismus zog, hat bleibende Bedeutung für die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Anlässlich des 75. Jubiläumsjahres der Bekenntnissynode von Barmen erinnerte der Rat der GEKE während seiner Sitzung am 17. Oktober in Oslo an die bleibende Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung für die Kirchen in Europa.

Die Barmer Theologische Erklärung hat Menschen unterschiedlicher Konfession vereint. Sie ist Vorbild für das Gründungsdokument der GEKE, die Leuenberger Konkordie von 1973. Sie ist eine Ermutigung, auch in schwierigen Situationen die Gemeinsamkeit der Kirchen zu suchen.

Der Rat der GEKE betont, dass die Zuordnung von Freiheit und Verantwortung „ein besonderes Kennzeichen der evangelischen Kirche in ihrem gesellschaftlichen Engagement“ ist. Die Barmer Theologische Erklärung bestärkt die Kirchen, „in den gegenwärtigen Herausforderungen globaler Unsicherheit, gewaltsamer Konflikte und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen ein deutliches Zeugnis in Wort und Tat abzulegen“.

Aus der Barmer Erklärung wie auch aus der Leuenberger Konkordie folgt für den Rat der GEKE, dass „die Gestaltung von Kirche nicht einfach politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten folgt. Auch in ihren Ordnungen muss die Kirche bezeugen, wem sie gehört“.

Der 13-köpfige Rat ist das Exekutivorgan der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Er kommt circa alle neun Monate zusammen, aktuell tagte der Rat vom 16.-18. Januar 2009 in Oslo.

Pressemitteilung der GEKE, Bern, 20. Januar 2009

Die Erklärung des Rates der GEKE im Wortlaut:

Die Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung

Erklärung des Rates der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa zum 75. Jahrestag

Die Barmer Theologische Erklärung, mit der die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Wuppertal-Barmen im Jahr 1934 eine Abgrenzung gegenüber der in die Kirchen eingedrungenen Ideologie des Nationalsozialismus vollzog, hat in den Kirchen der GEKE eine wachsende Bedeutung erlangt. In den deutschen Mitgliedskirchen der GEKE wird ihr der Rang eines maßgeblichen Lehrzeugnisses zuerkannt. Zugleich hat die Barmer Theologische Erklärung eine ökumenische Dimension, die weit über Deutschland hinausweist.
So hat sie weltweit Eingang in viele Ordnungen evangelischer Kirchen gefunden.
Anlässlich des Jubiläumsjahres der Bekenntnissynode von Barmen würdigt der Rat der GEKE die Barmer Theologische Erklärung als ein wichtiges Dokument auf dem Weg zur Leuenberger Konkordie und erinnert an ihre bleibende Bedeutung für die Kirchen in Europa.

1. Der Gemeinschaft dienen

„Wir befehlen es Gott, was dies für das Verhältnis der Bekenntniskirchen untereinander bedeuten mag.“ (Barmer Theologische Erklärung, Vorrede)

In der „Zeit gemeinsamer Not und Anfechtung“ wurde es möglich, dass Synodale aus lutherischen, reformierten und unierten Kirchen „ein gemeinsames Wort“ bekennen und dabei ihren „verschiedenen Bekenntnissen treu sein und bleiben“ konnten. Damit wurde der Weg eröffnet, der dann in der Leuenberger Konkordie zur „Kirchengemeinschaft ... unter Kirchen verschiedenen Bekenntnisstandes“ (Leuenberger Konkordie 29) führte.

Die Kirchen der GEKE haben sich verpflichtet, „der ökumenischen Gemeinschaft aller christlichen Kirchen zu dienen“ (Leuenberger Konkordie 46). Die Barmer Theologische Erklärung ist eine Ermutigung, auch in schwierigen Situationen die Gemeinsamkeit der Kirchen zu suchen und durch den Dialog zum gemeinsamen Zeugnis in den aktuellen Herausforderungen zu gelangen.

2. Das eine Wort Gottes hören

„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ (Barmer Theologische Erklärung 1)

Die Barmer Theologische Erklärung verwirft als falsche Lehre, dass „außer und neben diesem einen Wort Gottes“ noch andere Ereignisse und Mächte als Quelle der kirchlichen Verkündigung anerkannt werden können. In gleicher Weise stellt die Leuenberger Konkordie das Evangelium als „die Botschaft von Jesus Christus, dem Heil der Welt“ (Leuenberger Konkordie 7) ins Zentrum aller ihrer Aussagen.

Die Offenbarung des dreieinigen Gottes in Jesus Christus ist der alleinige Lebensgrund der Kirche. Dies gilt es auch heute zu bezeugen und in den gegenwärtigen Kontexten immer wieder neu zur Geltung zu bringen.

3. Aus Freiheit dienen

„... Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ... auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben“ (Barmer Theologische Erklärung 2)

Aus der „frohe[n] Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt“ folgt der „freie, dankbare Dienst an seinen Geschöpfen“. Auch die Leuenberger Konkordie erkennt als Konsequenz der Rechtfertigung die Freiheit „zu verantwortlichem Dienst in der Welt“ und bestimmt diesen als Eintreten „für irdische Gerechtigkeit und Frieden zwischen den einzelnen Menschen und unter den Völkern“ (Leuenberger Konkordie 11).

Diese Zuordnung von Freiheit und Verantwortung ist ein besonderes Kennzeichen der evangelischen Kirchen in ihrem gesellschaftlichen Engagement. Die Barmer Theologische Erklärung bestärkt sie, in den gegenwärtigen Herausforderungen globaler Ungleichheit, gewaltsamer Konflikte und der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen ein deutliches Zeugnis in Wort und Tat abzulegen.

4. Kirche gestalten

Die christliche Kirche bezeugt „mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung“, dass sie allein Christi Eigentum ist. (Barmer Theologische Erklärung 3)

Wie die Barmer Theologische Erklärung betont die Leuenberger Konkordie, dass die Kirche allein auf Jesus Christus gegründet ist, „der sie durch die Zuwendung seines Heils in der Verkündigung und in den Sakramenten sammelt und sendet“ (Leuenberger Konkordie 2).

Nach dem Verständnis der Leuenberger Konkordie ist Kirchengemeinschaft kein formales Prinzip, sondern etwas, das in der Ausrichtung auf Jesus Christus immer wieder neu gelebt und bewährt wird. Demzufolge kann die Gestaltung von Kirche nicht einfach politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten folgen. Auch in ihren Ordnungen muss die Kirche bezeugen, wem sie gehört.

5. Das Evangelium verkündigen

„Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk.“ (Barmer Theologische Erklärung 6)

Nach der Barmer Theologische Erklärung ist der Auftrag der Kirche nicht in ihr Belieben gestellt. Auch die Leuenberger Konkordie verpflichtet die Kirchen, ihr Handeln und ihre Gestalt „allein von dem Auftrag her zu bestimmen ..., dieses Zeugnis in der Welt auszurichten.“ (Leuenberger Konkordie 4)

Die Weitergabe des Evangeliums an alle Menschen gehört zum Wesen der Kirche. Die Botschaft von der freien Gnade Gottes gilt allem Volk, auch den vermeintlich Fernstehenden. Sie befreit dazu, das Evangelium gerade in schwierigen und aussichtslos erscheinenden Situationen weiter zu geben.

Oslo, 17. Januar 2009

Erläuterungen

Barmer Theologische Erklärung

Mit der Barmer Theologischen Erklärung hat die „Bekennende Kirche“ in Deutschland 1934 eine Abgrenzung gegenüber der Ideologie des Nationalsozialismus in der Kirche vollzogen. Sie wurde wesentlich von Karl Barth entworfen und auf der ersten Bekenntnissynode vom 29. bis 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen verabschiedet. Sie gilt als wegweisendes Lehr- und Glaubenszeugnis der Kirche im 20. Jahrhundert. Für einige deutsche Landeskirchen gehört sie zu den Bekenntnisgrundlagen, auf die deren Pfarrer ordiniert werden. Daher ist sie im Evangelischen Gesangbuch, das in den meisten deutschsprachigen evangelischen Kirchen in Gebrauch ist, im Wortlaut abgedruckt.

Leuenberger Konkordie

Die „Leuenberger Konkordie“ ist das theologische Grundlagendokument der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Durch die Verabschiedung der Konkordie, der jahrzehntelange Lehrgespräche vorausgingen, wurde am 16. März 1973 eine über 450 Jahre währende Kirchentrennung in Europa beendet. Die mittlerweile 105 Mitgliedskirchen aus 29 Ländern gewähren sich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Sie erkennen gegenseitig Ordination und Ämter an. Die Konkordie begründet das Ökumene-Modell der GEKE, die "Einheit in versöhnter Verschiedenheit".

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