Projekt Hugenottengarten in Potsdam
Ein Innenhof wird umgestaltet
Ziel
Historischer Hintergrund
Ausgangssituation
Gartenplanung
Bauplanung
Öffentlichkeitsarbeit/Fundraising
Die Französisch-Reformierte Gemeinde in Potsdam wächst und benötigt einen größeren Gemeindesaal, der auch sakral nutzbar ist. Dazu wird der vorfindliche Schuppen im Garten als Remise hergerichtet, um sowohl den benötigten Saal als auch Gartenutensilien aufzunehmen. Der Gemeindesaal soll pavillonartig zum Garten hin nutzbar sein.
Das ungestalteten Hofareal wird als Hugenottengarten rekultiviert. Zusammen mit der Remise entsteht ein Areal hoher Lebensqualität, sowohl für die Gemeinde, wie für öffentliche Veranstaltungen (Führungen, Konzerte, Podiumsgespräche, Lesungen, Begegnungen u.a.m.). Der Garten wird Inkulturation von Fremdem und Tolerierung Andersdenkender assoziieren, indem er auch die hugenottische Immigration und damit verbundene bedeutende Impulse für die Gartenkultur unserer Region thematisiert.
Gleichfalls bringt der Hugenottengarten in Erinnerung, worin die ursprüngliche, mittlerweile weithin verbaute Funktion der Innenkarrees des Holländischen Viertels bestand.
Auf ungewöhnliche Weise werden so wichtige historische Elemente mit akuten städtebaulichen und politischen Erfordernissen produktiv und zukunftsweisend verknüpft.
Kurfürst Friedrich Wilhelm gewährte evangelischen Glaubensflüchtlingen Zuflucht in Brandenburg. Die Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. begünstigten deren Ansiedlung in Potsdam, um dessen wirtschaftliche wie kulturelle Entwicklung zu fördern und, nicht zuletzt, um gärtnerische Projekte voranzutreiben. Insgesamt entwickelte sich diese Einwanderung beispielhaft – Menschenleben wurden gerettet und wirtschaftliche wie kulturelle Anstöße gegeben, die Land und Leute bereicherten. Das gilt es in Erinnerung zurufen, sinnlich darzustellen und in Diskurse zu aktuellen Fragen einzubringen.
Das Grundstück Gutenbergstraße 77/78 schenkte König Friedrich Wilhelm II. der Französisch-Reformierten Gemeinde Ende des 18.Jahrhunderts. Der Innenhof des Grundstücks wurde, wie im Viertel üblich, stets als Wirtschaftsgarten genutzt, doch darüberhinaus auch – kommunikativ – als Gemeindegarten. Diese Funktionen sollen fortgeführt werden.
Zu den vornehmsten Errungenschaften, die Hugenotten einführten, zählt ihr Gartenbau. Sie brachten z.B. Spargel, Blumenkohl, Artischocken, Küchenkräuter ins Land, führten die Blumenzucht ein und trugen wesentlich zur Verbreitung der Kartoffel bei. Der Hugenottennachkomme Charles-François Archard entwickelte Anfang des 19. Jahrhunderts ein wirtschaftliches Verfahren zur Zuckergewinnung aus Rüben.
Hintergrund dieser Aktivitäten ist eine eigene hugenottische Tradition der Erforschung und Nutzung von Pflanzen sowie der Gestaltung von Gärten. Hugenotten waren, unter anderen, Olivier de Serres, Begründer der französischen Agronomie, Jacques Androuet du Cerceau, der Gestalter der Tuilerien von Fontainebleau oder, um nur noch einen aus einer langen Liste zu nennen, Bernard Palissy, der in seiner Racette véritable, angelehnt an Psalm 104, einen paradiesischen Garten entwarf, der in seiner Zeit der Religionskriege auch ein Jardin du refuge sein sollte.
Diese kaum angedeutete große Tradition setzte sich im Raum Berlin/Potsdam ungebrochen fort. Es bildeten sich Dynastien hugenottischer Gärtnerfamilien, die bis in unsere Tage reichen. Es sei nur an die Familien Bouché, Matthieu, Sarre erinnert. Unter den Gründern der Französisch-Reformierten Gemeinde in Potsdam waren Gärtner übrigens unverhältnismäßig zahlreich vertreten.
In der Tradition der Gemeinde geht es jedoch nicht nur um die Bewahrung des großen Erbes, sondern, fast mehr noch, um dessen Aktualisierung und Nutzung für unsere Zeit.
Ausgangssituation
Im Gemeindehaus ist ohne schwerwiegenden Eingriff in den historischen Schnitt des Holländerhauses keine Vergrößerung des Gemeindesaals möglich. Der erforderliche Saal kann nur außerhalb des Hauses errichtet werden. Für einen Neubau käme die im Bebauungsplan ausgewiesene Fläche in Frage, auf der sich, u.a., der bereits genannte Schuppen befindet.
Der große geschützte Innenhof – die größte zusammenhängende Freifläche im gesamten Viertel – ist derzeit ein "verlorene Ort" auf historischem Boden. Dieses Areal gilt es wiederzugewinnen, indem historische Zusammenhänge gewahrt bleiben und indem es eine zukunftsweisende inhaltliche Prägung erhält, ohne als Botanischer Garten zu erstarren. Ausgesprochen hilfreich für eine künftige breite Nutzung ist die vorhandene Infrastruktur des anliegenden Gemeindehauses.
Um den Garten herum wird die Bebauung gegenwärtig weiter verdichtet. Die gärtnerische Gestaltung des Innenhofes und die Nutzbarmachung der Remise wird den Bebauungsdruck von dieser Fläche nehmen.
Gartenplanung
Das Gartengrundstück ist 28m breit, ca. 24,5m tief und somit ca. 690m2 groß. Südlich grenzen zwei fünfachsige Holländerhäuser an, östlich eine Brandwand, vorgelagert der erwähnte Schuppen. Im Norden und Westen ist das Grundstück mit einer ca. 1,50m hohen Mauer umfriedet.
Die Gliederung der Häuser spiegelt sich in der Neugestaltung des Gartens formal-architektonisch in axialen Beziehungen zu den Häusern und zur künftigen Remise wider.
Ein ca. 122m2 großes Rasenoval mit zwei alten Obstbäumen, in den Proportionen des knobelsdorff'schen Grundrisses der Französischen Kirche, bildet die Mitte des Gartens und erfüllt für Veranstaltungen die zentrale Aufenthaltsfunktion.
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Vorgesehen ist eine Dreiteilung des Gartens entlang der Längsachse:
- Parallel zur Hausfront verläuft – traditionell – ein hausnaher Wirtschaftsstreifen.
- Das längsaxial ausgerichtete Rasenoval umgibt ein leicht erhöhtes Blumengeviert, symmetrisch eingefasst, östlich von der Remise, westlich von einer Pflanzfläche mit eingebetteter Gartenbank.
- Im nördlichen Gartenbereich entsteht symmetrisch zum Wirtschaftsstreifen eine Pflanzfläche.
Ein Wegesystem, das sich am Ebenmaß der umgebenden Architektur orientiert, erschließt und gliedert die Anlage. Die Belagsflächen werden durch Lesestein gestaltet – hier häufig vorkommendes und ursprünglich bereits im Garten verwendetes Material – der so verlegt wird, dass Rasen in den Fugen wächst. Für den Wirtschaftsstreifen soll, wie beim vorhandenen Restbestand, antiker (gebrauchter) Backstein verlegt werden.
Die Bepflanzung wird an die hugenottische Gartenbautradition erinnern. Neben das schon erwähnte Gemüse könnten noch Melonen und Kartoffeln treten. Ferner ist an eine Auswahl von Pflanzen gedacht, die hugenottische Botaniker eingeführt bzw. verbreitet haben oder die nach solchen benannt sind (Tulpe, Kaiserkrone, Ranunkel, Kirschlorbeer, Gentiana clusii, Primula halleri, Pulsatilla halleri).
Die vorhandenen Bäume bleiben erhalten. Als Neupflanzungen kämen allenfalls ein Maulbeerbaum (als Bezug zur legendären hugenottischen Seidenraupenzucht) und die vom Hugenottennachfahren Ludwig Kassin in Werder/Havel entdeckte Kirschsorte Kassins Frühe in Frage.
Für die Fassade der Remise sind Kletter- bzw. Spaliergehölze oder Wein geplant. Das Rasenoval wird von einer Schmuckpflanzung eingefasst. Südländische Gewächse in Kübeln sollen an besonderen Orten im Garten aufgestellt werden und an Herkunftsgebiete der Hugenotten erinnern. Im Winter sollen die Pflanzen dann im Gemeindesaal stehen, der damit zu einer Orangerie wird.
Als Öffnung des Gemeindesaals, hin zum Rasenoval, drängen sich für die Remise zweiflüglige Fenstertüren mittig in der Fassade auf. Diese Komposition unterstützt das Ensemble aus Garten und Gemeindesaal. Es erweitert die Nutzungsmöglichkeiten des Hugenottengartens und der Remise erheblich.
Mit dem Hugenottengarten als einer besonderen Form eines Nutzgartens wird - auf der letzten möglichen Parzelle - der ursprüngliche, fast ländliche Charakter des Holländischen Viertels rekonstruiert und zugänglich gemacht, ohne dabei lediglich ein museales Betrachtungsobjekt zu schaffen.

Mit der Neugestaltung des Gartens wird der Gartenschuppen saniert und so umgestaltet, dass er sich als Remise künftig für Veranstaltungen, als Orangerie und Nebengelass nutzen lässt.
Der vorfindliche Schuppen resultiert aus schrittweisen, rein funktionalen Umformungen eines unbekannten Ursprungsgebäudes. Die letzte einscheidende Umformung geschah 1985. Heute stellt sich der Schuppen als schlichter gemauerter Kubus mit flach geneigtem Pultdach dar. Seine Fassade prägen eine Reihe Brettertüren von 1985 und zwei schmale Fenster mit Kämpfer und Oberlicht, die auf das erste Viertel des letzten Jahrhunderts zu datieren sind.
Form und Zahl der Türen wurden verändert. Sie haben nicht mehr ihre originale Höhe und befinden sich nicht alle an ihrer ursprünglichen Stelle. Ein Photo vom Ende der 70er Jahren zeigt weniger und teils flachere Türen an teils anderem Ort, dazu einen vermauerten Kellerzugang und ein weiteres Fenster. Heute sind die Türen und Fenster unregelmäßig und nicht axial angeordnet, sondern nach Erfordernissen der Stall- und Nebenräume.
Die Fassade war offensichtlich immer verputzt. Genaues hierzu - wie auch zu eventuell vermauerten Öffnungen - wird das Abschlagen des Verputzes zu Tage fördern.
Innen wurden neue Trennwände eingezogen und eine Bodenplatte eingebracht.
Der Dachstuhl ist nicht original. Das ist u.a. an unverschlossenen ehemaligen Durchbrüchen für eine Mittelpfette erkennbar.
Historische Ausbaudetails sind nicht erhalten.
Die Remise ist konsequent auf den Hugenottengarten ausgerichtet. Sie umfasst einen Gemeindesaal und zwei seitliche Nebenräume, die von den Giebeln her zugänglich sind.
Die Brettertüren und die beiden kleinen Fenster werden zurückgenommen. An ihre Stelle tritt mittig, mit Bezug zu den Achsen des Rasenovales, eine Dreiergruppe von Fenstertüren mit Schiebeläden. Die Fassade erhält im Bereich des Gemeindesaals einen Glattputz und eine durchgehende Blockstufe, deren Material auf das des Pflasters abgestimmt wird. Die seitlichen Fassaden- und die Stirnflächen der Remise werden vom Verputz befreit und mit einer Putzschlämme überzogen. Die Fassade erhält eine Rankhilfe.
Die Dachfläche bleibt unverändert und wird lediglich saniert und gedämmt. Sie kann ein zentrales Oberlicht enthalten, daß den Gemeindesaal zusätzlich belichtet und gestaltet.
Innen wird die nördliche Wand so versetzt, dass der Gemeindesaal mittig entsteht. Die Lage der ehemaligen Wand könnte durch Wandvorlagen angedeutet werden.
Die Fenstertüren bilden, von innen betrachtet, eine symmetrische Front, die sich zum Garten weit öffnen und einen lichten Veranstaltungsraum entstehen lässt.
Öffentlichkeitsarbeit/Fundraising
Gordon Karau hat federführend den Flyer entworfen, mit dem wir auf unser Vorhaben aufmerksam machen.