Ellich & Tüllich - Nach dem Coiffeur
Bravo! Du siehst gleich wieder zehn Jahre jünger aus. / Tüllich! / Ich glaube, ich werde mich auch bald scheren lassen … / Mach nur, du siehst sowieso immer gleichalt aus. / Hehe! Was hat der Maestro mit Kamm und Schere diesmal zu erzählen gewusst? Er ist immer noch die beste Zeitung im Quartier. / Heuer sei die Weihnachtsbeleuchtung in der Gasse gefährdet gewesen. / Wieso? / Alle Läden trügen seit Jahren ihren Anteil bei, grosse Geschäfte mehr, kleine wie seines weniger. Doch nun hätten sich ausgerechnet zwei neue Filialen multinationaler Konzerne geweigert, ihren Anteil zu tragen. / Ellich? / Ja, von Weihnachtsbeleuchtung hätte nichts im Mietvertrag gestanden. / So sind sie. Absahnen und weiterziehen. Das Quartier ist ihnen wurscht. Selfies mit der schönen Beleuchtung haben sie sicher längst nach Hause geschickt. Ich sage dir, das sind Schmarotzer. / Genau. Avec-Papiers, die zur Überfremdung mehr beitragen als jeder Sans-Papier. / Ellich? / Tüllich! Und wie ist es ausgegangen? / Sie haben dann doch gezahlt, aber knurrend. / Sonst gibt es nichts Neues? / Doch, das alte Bistro mit der Einrichtung der Sechziger, du weisst doch, die kleine Bar neben dem Theater, die aussieht wie im Pariser Quartier Latin, macht zu. Der Betreiber hat die Nase voll und keinen gefunden, der es weiterführen will. Vermutlich sei das Interieur bereits verkauft. / O, das ist traurig. Wieder verschwindet ein Stück Wärme. Von Antiquitäten und Teppichen lebt die Altstadt nicht, wenn es Abend wird. Sie verödet immer mehr. Tote Hose. / Dann übernimmt eine multinationale Pappbecherfiliale das Bistro. So eine standardmöblierte, wo sie einen duzen, als wären sie hier aufgewachsen. / Ellich?
Klaus Vogler RefApp