Namensgeber der Bibliothek

Johannes a Lasco ( 1499-1560). Der Europäer in Ostfriesland

Dass die Bibliothek in der Großen Kirche den Namen Johannes a Lasco trägt, ist allgemein bekannt.

Doch wie bei zahlreichen Plätzen und Straßen weiß man selten etwas von der Person, deren Namen sie tragen. Einst hielt man sie für so bedeutend, dass man sie ins kollektive Gedächtnis einschrieb und einen Ort nach ihr benannte: beispielsweise eine Straße- oder eben die Bibliothek, die in der ehemals größten Kirche der Stadt Emden 1995 gegründet wurde.

Erinnerungen an Ereignisse und Personen verblassen, ja sie fallen der Vergessenheit anheim. Das ist der Lauf der Zeit. Umso spannender ist es, sie dem Vergessen zu entreißen. Dazu gibt es Bibliotheken. Denn stöbert man in ihren Beständen, macht man zuweilen überraschende Entdeckungen.

Etwa die einer Biographie über Johannes a Lasco mit dem Titel Historia critica Johannis a Lasco: Das ist Gründlicher Bericht von Johannis a Lasco, eines vornehmen polnischen Barons und berühmtem Theologi.

Verfasst hat sie der Rektor des Auricher Gymnasiums, der Hofprediger und Konsistoralrat Johann Friedrich Bertram (1699 -1741).

Bereits Bertram schrieb in dem 1733 in Aurich gedruckten Buch gegen das Vergessen an, genauer gesagt wollte eine Reihe von Fehldeutungen korrigieren, die sich mit der Zeit zu Selbstverständlichkeiten entwickelt hatten. Sein „Gründlicher Bericht“ war sachlich und um Ausgewogenheit bemüht: Die unkritische Verherrlichung des dem polnischen Hochadel entstammenden Theologen lag ihm fern. Er zeichnete kurz das Leben des Mannes, der, 1499 geboren in Łask bei Łódź, eine gründliche humanistische Bildung genossen hatte, zum Priester geweiht worden und während seiner Studien, die ihn durch das halbe Europa führten, mit der neuen reformatorischen Lehre in Berührung gekommen war. Ihr schloss er sich an, ohne sich klar zwischen der „Lutherischen" und der „reformierten" Lehre zu entscheiden.

In Emden wirkte er von 1542 bis 1549, später noch einmal zwischen 1553 und 1555, wobei er in der Funktion eines Superintendenten Grundlagen für das Ostfriesische Kirchenwesen legte. Bertram, der in erster Linie an der theologischen Tätigkeit des Johannes a Lasco interessiert war, deren stark lutherische Prägung er - selbst Lutheraner - hervorhob, übersah bei aller Verehrung für den großen Geistlichen nicht, was bereits im 18. Jahrhundert als befremdlich galt: seine Schroffheit, die wiederholt zu Spannungen mit der regierenden Gräfin Anna führte, die Härte bei der Auseinandersetzung nicht nur mit den Katholiken, sondern auch den sog. Täufern", den Mennoniten, die von ihm angeordnete Zerstörung der in den Kirchen befindlichen Kunstwerke.

Den energischen polnischen Gelehrten, der sich dank des überall gesprochenen Latein mühelos durch Polen, Italien, Deutschland und England bewegte, der in Basel oder in London ebenso wie im ostfriesischen Emden heimisch werden konnte, zum Namenspatron einer Bibliothek zu machen, hat einen guten Sinn. Denn es war der wohlhabende polnische Adlige, dem Erasmus von Rotterdam, der Star am damaligen Gelehrtenhimmel, seine Bibliothek verkaufte. Über Johannes a Lasco als Büchersammler erfährt man, leider, bei Bertram nur wenig. Umso mehr aber von dem Organisator der Kirche - und damit einer bedeutenden Figur im Vorfeld der Emder Synode von 1571.

 

Dr. Michael Weichenhan

 

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